New Work in der Hotellerie – eine Betrachtung
New Work ist im breiten Main-Stream in der Arbeitswelt angekommen, dass sich immer mehr durchsetzt und großen Nutzen bringt – quer durch alle Branchen. Grund genug für die Tourismusberatung Lohninger-Wunder und die HR Experts-Gruppe der HSMA, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die zentrale Frage dabei ist: „Wie kann New Work in der Hotellerie funktionieren?“
Im ersten Projektmeeting der HR Experts-Gruppe fanden wir durch anregende Diskussion heraus, dass es unglaublich viele Buzz-Words zu diesem Thema gibt. Große Verwirrung gab es nicht, doch wir fanden heraus, wenn wir uns diesem Thema nähern wollen, wäre es hilfreich die verschiedenen Begriffe zu sammeln und zu analysieren, welche Ansätze von New Work in welchem Umfang in der Branche Hotellerie & Gastronomie bereits vorhanden sind. Dabei haben wir uns die Frage gestellt, welche Leuchtturm-Projekte es bereits gibt und was man von anderen Branchen lernen kann? Fündig geworden sind wir im ersten Brain-Storming und haben ein konkretes Beispiel gefunden, dass es in der Tourismusbranche seit den 80er-Jahren gibt: z.B. das Daily Standup-Meeting, um ein konkretes Beispiel aus dem Agile-Kontext zu nennen. Also stellt sich die Frage: Was wird schon seit längerem so umgesetzt und wird nun einfach nur mit coolen neuen Begriffen in ein neues Gewand gekleidet. Als Experts-Gruppe haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, diese New Work-Ansätze zu erkunden.
Unser Ziel ist, bei diesen Kernfragen zukunftsweisenden Impact für die Branche zu liefern.
Was aber bedeutet dieses New Work überhaupt? Der Begriff New Work umfasst neue Arbeitsweisen, die auf Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft basieren. Die ersten Ansätze zu New Work führen zurück auf den österreichischen und US-amerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann. Er gilt als Begründer von New Work, seine Biografie ist sehr beeindruckend. Er führte ein Experiment durch, das New Work den Weg bereitete: Durch die zunehmende Automatisierung kam es in den 1980ern bei General Motors in der Stadt Flint in Michigan zu verstärkter Arbeitslosigkeit in der Automobilindustrie. Bergmann schlug statt der Entlassungen ein Schichtsystem vor, bei der Teile der Belegschaft für mehrere Monate freigestellt wurden, um sich in dieser Zeit in einem „Zentrum für neue Arbeit“ neu zu orientieren. Dadurch wurde die Wichtigkeit der eigenen Interessen und Selbstbestimmung, eine eigenständige Arbeitsweise und Flexibilität gefördert – die Basis für New Work.
Ein zentraler Begriff bei New Work ist die Agilität: Das ist die Fähigkeit, flexibel und proaktiv zu handeln und flexibel auf Veränderungen reagieren zu können – mittels flexibler Strukturen. Schlagwörter sind dabei agile Workflows und agiles Führen. Wie lässt sich das nun im Tourismus und in der Hotellerie umsetzen? Dazu wurden folgende Überlegungen erarbeitet:
Überlegungen zu sechs zentralen Faktoren von New Work für die Hotellerie:
1. Individualität:
„Mitarbeiter legen Leistungsziele und Lernziele sowie Arbeitszeiten selbstständig fest und werden in die Strategieentwicklung eingebunden“. In einem Kunden- Workshop kam von einem Hoteleigentümer der Einwurf: „Ja, wo kommen wir denn da hin, wenn einfach nur noch jeder macht, was ihm Spaß macht und wobei er sich wohl fühlt. Wir sind doch hier, um Geld zu verdienen.“ Die Frage ist, welche Unternehmensform und welche Managementstrukturen benötigt werden, damit Mitarbeiter sich auch mehr einbringen. Wobei nicht nur das Einbringen von Ideen gemeint ist, sondern ein echtes Empowerment – wo für das eigene Handeln auch Verantwortung übernommen und einen Beitrag für das Team und für die gesamte Organisation geleistet wird. Menschen können sich mit all ihren Talenten und Stärken einbringen. Das wird bestmöglich im Betrieb gefördert.
2. Digitalisierung:
Ein Thema, das in der Hotellerie schon sehr lange umgesetzt wird. Vorrangig allerdings nur in den Bereichen, in denen es darum geht, Zimmer und Angebote gut zu verkaufen oder mit dem Einsatz von klugen Systemen mehr Geld zu verdienen. Es gibt eine Vielzahl von Big Playern, die große Gesamtlösungen anbieten, die einen hohen Kosteneinsatz erfordern. Die Herausforderungen für die Branche liegen oft darin, dass die Systeme viel Wartung benötigen und ein Wechsel auf ein neues System mit hohen Kosten verbunden ist. Durch die Mitarbeiter-Fluktuation entstehen zusätzliche Schulungskosten. Wenn es aber darum geht, Arbeitsprozesse zu digitalisieren oder zu erleichtern, um diese effektiver und transparenter zu machen, gibt es noch viel zu tun.
3. Agilität:
Agile Organisation, agile Führung – Agilität ist ein zentraler Begriff von New Work. Wie wird man aber als Organisation agiler? Was bedeutet agil im Wesenskern? Der Begriff selbstorganisierte-agile Organisation kurz „So-agile Organisation“ (Quelle: Dr. Oliver Mack, xm-institute.com) beschreibt am besten den aktuellen Pol, zu dem sich Organisationen unterschiedlicher Branchen und Größen hinbewegen. Dieser scheint geprägt von zufriedenen Kunden, schnelleren und zahlreicheren Innovationen, sich selbst steuernden Teams und einem neuen Führungsstil. In Europa und den USA scheinen Agile Methoden und Selbstorganisation die Lösung aller Probleme zu sein. Sogar amerikanische Eliteeinheiten organisieren sich in Form eines Team-of-Teams, das schnell, flexibel und selbstorganisiert gefährliche Spezialeinsätze bewältigt. Das Top-Management versteht aber Agilität oft als Etwas, das es im operativen Geschäft und in den Prozessen auf Arbeitsebene zu verankern gilt und nicht als signifikanten Werte- und Haltungswandel, der von oberster Ebene vorgelebt und aktiv, nicht nur passiv-beobachtend getrieben werden muss. Im Tourismus sind Führung und Mitarbeiter Meister darin, unvorhergesehene Ereignisse zu bewältigen und zu improvisieren. Eine mögliche Definition von Agilität ist daher, dass Strukturen und Prozesse so gestaltet werden, dass sie an unvorhergesehene Anforderungen angepasst werden können. Es gibt eine Vielzahl an agilen Tools aus dem IT-Bereich. Die Frage ist aber, welche agilen Tools überhaupt zum konkreten Betrieb passen. Es muss darum gehen, wie Arbeitsprozesse gestaltet und dadurch Operations verbessert werden.
4. Flache Hierarchien:
Das bedeutet, eine zeitgemäße moderne, demokratische Führungskultur zu ermöglichen. Also eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe bei kurzen Entscheidungswegen. Bei selbstorganisierten Teams würden allerdings gar keine Hierarchien mehr benötigt werden, wie z.B.: bei dem Ansatz Holacracy. In vielen Konzepten der Selbstorganisation gehen erstens Führungsaufgaben auf die Teammitglieder über und damit verlieren Führungskräfte einige ihrer Aufgaben, die für sie bisher identitätsstiftend waren. Wie die Steuerung des Teams über Planung und Kontrolle oder über Entscheidungen, die nun das Team selbst trifft. Zweitens geht die Einheit von Mitarbeiterführung und Geschäftsverantwortung von Führungskräften verloren. In einigen SO-agilen Konzepten kümmern sich die klassischen Führungskräfte nicht mehr um die Fach- und Sachaufgabe (hierzu gibt es nun Product Owner), sondern „nur noch“ um ihre Mitarbeiter. Diese echte Führungsaufgabe ist gerade für solche Führungskräfte herausfordernd, die sich in der Vergangenheit stark über das Geschäft und nicht über die Führungsaufgabe identifiziert haben. Fällt erstere nun weg, könnte es zu einer Existenzkrise kommen oder die Sorge, dass die Führungsaufgabe „alleine“ wohl keine persönliche Erfüllung oder rausreichende unternehmerische Wertschöpfung bieten kann. Doch ist es gerade bei SO-agilen Organisationen diese Aufgabe, die hilft Teams über das Gesamtunternehmen hinweg zu vernetzen, die Mitarbeiter zu entwickeln und zu befähigen, ihnen bei der Arbeit zur Seite zu stehen und proaktiv für eine zukunftsfähige Gestaltung des Pools an Humanressourcen zu sorgen.
5. Flexibilität:
Flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte sollen ermöglicht werden – ebenso wie effektives und an verschiedene Situationen angepasstes Arbeiten. Das klingt plausibel – was bedeutet das aber für den Tourismus. Welche neuen Ansätze braucht es als Organisationsform, damit das überhaupt diskutiert werden kann? In bestimmten Arbeitsbereichen wie Sales, Marketing Revenue Management sind flexible Strukturen durch Remote Work etc. einfacher möglich. Die Frage ist, wie diese geforderte Flexibilität im Service und in der Küche umsetzbar sind. Auch hier gibt es schon erfolgsversprechende Ansätze, bei denen sich Teams in der Dienstplangestaltung selbstorganisiert einteilen, wie z.B. eine 4-Tage-Woche in der Küche durch rotierende Arbeitszeiten sowie weg vom Teildienst.
6. Neue Büroraumkonzepte:
Sie werden sichtbar in den coolen schicken Büros von Internet-Firmen wie Google, facebook und Co. Dass sich Großkonzerne neue Bürokonzepte überlegt haben, um eine attraktivere Arbeitsumgebung für Ihre Mitarbeiter zu schaffen, bedeutet aber noch lange nicht, dass Mitarbeiter flexibler und kreativer werden in Ihrer Arbeit. Unternehmen wollen damit auch ihre Arbeitgeber-Marke „aufmotzen“ und sich am Arbeitgebermarkt attraktiver und „hipper“ präsentieren. Hier stellt sich allerdings die Frage, was das für New Work bedeutet und inwieweit sich das Raumkonzept in der Unternehmenskultur und Unternehmensführung widerspiegelt. Die Frage muss sein, welche räumlichen Konzepte Menschen dabei helfen, sich in ihrer Arbeitsumgebung wohl zu fühlen, damit sie in der Lage sind, herausragende Dienstleistungen erlebbar zu machen.
Das Ziel dieser ersten Begriffsdefinitionen ist es, das Thema New Work im Tourismus anzuregen und uns in den nächsten Schritten gemeinsam auf die New Work-Reise zu begeben. Welche Destinationen wollen wir erkunden – hier einige Fragen als Denkansätze:
1. Destination Kompetenzen: Welche Kompetenzen werden künftig in der Führung benötigt? Welches „Growth Mindset“ erfordert das? Welche Art und Weise von Kommunikation und Kommunikations-Tools unterstützt das? Wie fördern wir Entrepreneurship sowie Selbstführung?
2. Destination Methoden: Welche „Facilitations“ sind dabei die Passenden? Wie können einzelnen Betriebe als Organisationen gestärkt werden und sich entwickeln? Welche Trainingsformate, Workshops sind zukunftsweisend?
3. Destination Strukturen: Welche neuen Be-/Entlohnungssysteme helfen dabei, Tourismus wieder attraktiv zu machen und Fachkräfte für die Branche zu gewinnen? Welche Mitarbeiterbindungsprogramme helfen dabei, erfolgreich zu sein? Wie lassen sich betriebliche digitale Prozesse gestalten?
4. Destination Gestalter: Wie können Transformationen und Verbesserungen in den Betrieben vorangetrieben werden? Wie funktioniert die Einbindung einzelner Stakeholder?
Fazit:
Durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema New Work im Hinblick auf die Strukturen und Prozesse in der Hotellerie ergeben sich Fragestellungen, die genau zu analysieren sind. Die Ansätze von New Work können in der Hotellerie großen Nutzen bringen – besonders wenn es um Mitarbeiterzufriedenheit, Mitarbeiterbindung, neue Führungsansätze bis hin zu neuen Geschäftsmodellen geht. Es gilt aber immer, die konkrete Situation im Betrieb zu analysieren und gemeinsame Ziele zu definieren. So lässt sich herausfinden, welche konkreten Ansätze und Arbeitsweisen von New Work Erfolg bringen – zum Nutzen aller Beteiligten, um Arbeits- und Lebenszeit sinnvoll und erfolgreich zu gestalten.
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